[Empfänger:] Bayerisches Verwaltungsgericht Regensburg Haidplatz 1 93047 Regensburg 09.03.2004 Sehr geehrte Damen und Herren, für die Weiterleitung der Replik der Beklagten vom 11.02.2004 danke ich Ihnen. Hierzu nehme ich wie folgt Stellung: In der Frage der Beurteilung der Verkehrssicherheit hält die Beklagte meine Hinweise auf den allgemeinen Erkenntnisstand der Unfallforschung über die Gefährdung des Radverkehrs auf Fahrbahnen einerseits und auf einseitig straßenbegleitend geführten Radwegen andererseits für "ungeeignet", "unzulässig" (?) und eine "subjektive Empfindung". Die inzwischen umfangreichen Forschungsergebnisse widerlegen eindeutig die allerdings immer noch weit verbreitete Fehleinschätzung (diese ist "subjektiv"!), dass in solchen Situationen durch eine Trennung der Verkehrsarten objektiv mehr Sicherheit zu erreichen sei. Nur darauf kommt es hier aber an, überhaupt nicht auf irgendeine "Zumutbarkeit". Falls beim Gericht insoweit noch Zweifel bestehen sollten, wird darum gebeten, in Wahrnehmung des Untersuchungsgrundsatzes bzw. der Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) selbst Erkundigungen von unabhängigen Institutionen einzuholen, wie z. B. von der Bundesanstalt für das Straßenwesen (Bergisch Gladbach), von der Forschungsgesellschaft für das Straßen- und Verkehrswesen (Köln) oder vom Deutschen Institut für Urbanistik (Berlin). Zu den von der Beklagten angesprochenen örtlichen Gegebenheiten, sowie zur rechtlichen Beurteilung: Ein Überholen bei gleichzeitigem Begegnungsverkehr ist - wie bereits im früheren Schriftverkehr ausgeführt - ohnehin nur bei Fahrbahnbreiten von über ca. 10 m möglich. Bei schmäleren Fahrbahnen kann nur unter Berücksichtigung des entgegenkommenden Verkehrs überholt werden, wie dies bei fraglichen Streckenabschnitten ja auch wegen des häufigen landwirtschaftlichen Verkehrs praktiziert wird. Die von der Beklagten genannten Gründe der "Sicherheit und Leichtigkeit" des Verkehrs sind wie oben ausgeführt subjektiver Natur, die Beklagte kann nicht - z.B. durch entsprechende Unfallzahlen - belegen, dass der Radverkehr vor Anordnung der Benutzungspflicht einer außerordentlichen (bzw. überhaupt irgendeiner die gewöhnliche durch die Teilnahme am Straßenverkehr übersteigende) Gefährdung ausgesetzt gewesen wäre. Im übrigen enthalten die straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen vom 08.09.1987 und 13.12.2002 keinerlei Begründungen, die diese Verkehrsbeschränkungen rechtfertigen. Die überflüssige Tatsachenmitteilung "Erstbeschilderung nach Verkehrsfreigabe" genügt im Hinblick auf die hier vor dem Erlass bzw. in Bezug auf die Anordnung von 1987 bei der Entscheidung über meinen Widerspruch zu überprüfenden tatbestandsmäßigen Voraussetzungen, insbesondere den Anordnungsvorbehalt nach § 45 Abs. 9 StVO, in keiner Weise. Auffällig widersprüchlich in sich sind das Verhalten und die Argumentation der Beklagten in Bezug auf die Auswirkungen der Vegetation auf die Sichtverhältnisse und die Ausleuchtung der Fahrbahn an der Wegstrecke zwischen Leoprechting und der Einmündung der Lieperkingstraße. Zunächst ist bemerkenswert, dass die Sträucher und Bäume im Sichtdreieck zwischen Radweg und Lieperkingstraße in jüngster Zeit erstmals seit vielen Jahren durch die entsprechende Dienststelle der Beklagten zurückgeschnitten wurden. In diesem Verfahren behauptet die Beklagte dann einerseits, dass die Straßenbeleuchtung auf der Fahrbahn von der dort vorhandenen Vegetation deutlich abgeschattet wird, andererseits aber dieselbe Vegetation keinerlei Beeinträchtigung der Sichtbeziehung zwischen Radweg und Fahrbahn der Liebhartstraße verursachen soll. Tatsache ist, dass der niedrige Bewuchs zwar durchaus die Wahrnehmbarkeit von Radfahrern auf dem Radweg von der Fahrbahn aus verhindert oder zumindest erschwert, nicht jedoch die Beleuchtung der Fahrbahn durch die in diesem Abschnitt an hohen Masten angebrachten Leuchten beeinträchtigt. Entgegen der Behauptung der Beklagten ist die Benutzung der Zufahrt zu dem Radweg in Graß nicht jederzeit möglich, da das Wegstück von der Fahrbahn zum Radweg in der Winterzeit nicht von Schnee und Eis geräumt wird. Die Beklagte gibt zu, dass diese Zufahrt nur mit "angepasster Geschwindigkeit", also sehr langsam und vorsichtig, befahren werden kann, was angesichts der vorausgehenden Gefällestrecke eine erhebliche Benachteiligung des Radverkehrs gegenüber dem motorisierten Verkehr darstellt, der die Wegstrecke nach Leoprechting geradlinig und stetig auf der Fahrbahn zurücklegen kann. Die angesprochene weitere Zufahrtsmöglichkeit über die Fahrbahn des Hofweg erfordert ein deutlich früheres Abzweigen von der Brunnstraße, was eine gewisse Ortskenntnis voraussetzt. Zudem stellt auch diese Alternative eine ähnliche Behinderung für den Radverkehr dar, da die Zufahrt dann im Bereich des Wendeplatzes der Linienbusse über eine abgesenkte Abflussrinne, ein grob gepflastertes Wegstück und einen mehrere Zentimeter hohen Bordstein erfolgt. Die Beklagte verkennt offenbar die besondere Behinderung beim Radwegende in Leoprechting durch die dort erforderliche zweimalige Beachtung der Vorfahrt der jeweils querenden Straßen. Ein Vergleich mit anderen Stellen, an denen Radwege auf die Fahrbahn eingeleitet werden, ist daher nicht angebracht. Im Idealfall (und so lauten auch die einschlägigen Empfehlungen für die Anlage von Radverkehrsanlagen) wird der Radverkehr von einem fahrbahnbegleitenden Weg an die Fahrbahn herangeführt, um dann über einen von der Fahrbahn abmarkierten Schutzstreifen auf diese eingeleitet zu werden. Das Einleiten des Radverkehrs über eine den Radverkehr benachteiligende Vorfahrtsregelung sollte die Ausnahme sein. Die hier vorliegende Einleitung in eine Nebenstraße mit zweimaliger Benachteiligung des Radverkehrs widerspricht klar der in den VwV-StVO geforderten stetigen Linienführung. Zudem kann die Radwegebenutzungspflicht trotz mangelhafter Verkehrsführung in vorliegendem Fall nicht mit einer an anderen Stellen vorliegenden ähnlich mangelhaften Situation gerechtfertigt werden. Seltsam erscheint ferner die Argumentation der Beklagten, dass Radfahrer (die z.T. auch ohne jegliche Schulung am Straßenverkehr teilnehmen) die viermalige Fahrbahnüberquerung bei Benutzung der Radwege in Gegenrichtung "routinemäßig" beherrschen und dies keine "übermäßigen Verkehrsgefahren" verursacht. Andererseits soll aber das Überholen von Radfahrern durch Kfz-Führer (die eine entsprechende Führerschein-Ausbildung benötigen) ein so außerordentlich gefährlicher Vorgang sein, dass dieser vermeintlichen Bedrohung mit einer Radwegebenutzungspflicht begegnet werden müsste. Untersuchungen dieser Sachverhalte, u.a. von den oben genannten Institutionen, ergeben jedoch regelmäßig die besondere Gefährdung von Radfahrern durch linksseitig benutzungspflichtige Radwege, weswegen auch entsprechende Bedenken und Vorbehalte explizit in den VwV-StVO ausformuliert wurden. Auch die Vorschrift der Nr. I der VwV-StVO zu Zeichen 240 gemeinsamer Fuß- und Radweg kann nicht zur Begründung der Verkehrsanordnungen herangezogen werden. Es liegt auf der Hand, dass diese Einschränkung der Wahlfreiheit der Straßenverkehrsbehörde erst dann greifen kann, wenn die normierten Voraussetzungen für die Anordnung der Benutzungspflicht nach § 45 Abs. 9 und § 2 Abs. 4 StVO vorliegen. Dazu wurde in den bisherigen Schriftsätzen - auch den vorprozessualen - genügend ausgeführt. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die in den Akten vorhandenen Beurteilungen der für den Streckenverlauf zuständigen Polizeiinspektionen Regensburg 3 und 1 vom 07. und 31.03.2003, wonach die nach VwV Nr. III zu §2 Abs. 4 Satz 2 StVO festgelegte Anhörung der Polizei nicht stattgefunden hat. In diesen Beurteilungen wird u.a. auch auf Konfliktpotenziale mit spielenden Kindern hingewiesen und von mir aufgezeigte Gefahrenmomente bestätigt. Aus Sicht der Polizei erscheint eine Beschilderung mit Zeichen 239 und Zusatz 1022-10 geboten. Meine Hinweise auf einschlägige Rechtsprechung ergänze ich um den auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts unter dem Aktenzeichen 3 A 275/02, von dem ich eine Kopie des mir vorliegenden Urteilstexts beifügen darf. Der Sachverhalt weist m.E. Ähnlichkeiten zum vorliegenden auf. Nach meinen Informationen ist das Urteil bestandskräftig. Mit freundlichen Grüßen Dr. Klaus Wörle Anlage: Urteil des Schleswig-Holsteinischen VG, Az. 3 A 275/02